I.0 Einführende Erläuterungen zur Zeckenfauna Österreichs
Auf dieser in den Fachbereich der Allgemeinen Zeckenkunde einführenden Internet-Seite wird ein gestraffter Überblick über die Faunistik dieser Tiergruppe in Zentraleuropa und speziell in Österreich dargelegt und so soll das Wissenswerteste zum Vorkommen dieser Tiergruppe in verschiedenen Lebensräumen allgemeinverständlich veranschaulicht werden. Unter dieser Thematik subsumiert sind Daten zu der Zecken Lebensräume, ihrem Habitus, ihrer Vielfalt in der Lebensweise und zur Lokalisation von Gefahrenquellen für die Gesundheit von Menschen.
Inhaltsverzeichnis:
I.1 Prolog
Der Gemeine Holzbock, Ixodes ricinus, gehört wohl zu den bekanntesten und am meisten gefürchteten ⇒ Ektoparasiten des Menschen in ⇒ Zentraleuropa. Und dies, obwohl diese Zecke, weithin unbeachtet, keineswegs die einzige am Menschen Blut saugende Vertreterin der Schildzecken in Europa ist. Zudem ist sie, einen globalen Maßstab anlegend, kein sehr bedeutender ⇒ Überträger von infektiösen Mikroorganismen auf den Menschen oder auf Haus- und Nutztiere. Dennoch ist diese Zecke in den letzten Jahrzehnten zum Archetypus aller jener „blutsaugenden Schmarotzer” geworden, von denen behauptet wird, dass sie die Gesundheit des Menschen ernsthaft bedrohen.
Das Lexem „Zecke” ist etymologisch schwierig zu erklären. Zweifelsfrei gibt es das mittelhochdeutsche Verb „zecken”, das allerdings „einen Schlag versetzen” bedeutet. Zudem gibt es das mittelhochdeutsche Substantiv „zëche”, dessen Bedeutung aber von mir nicht erhoben werden konnte. Im Althochdeutschen sind die Substantive „zëhho”, „zecko”, „zehho” und „cecho” belegt. Im Italienischen heißt die Zecke "zecca", abgeleitet von den genannten althochdeutschen Substantiven; und dies in auffälliger Weise ohne den sonst so häufigen langobardischen Einfluss bei der Übernahme althochdeutscher Worte. Das modern italienische azzeccare, dh verfolgen, entstammt hingegen dem mittelhochdeutschen Verb „zecken”.
Das englische "tick" und das niederländische "teek" sind hingegen klar aus dem indogermanischen "dìgh-n", zu Deutsch: stechen, abzuleiten. Dieses Wort wurde germanisch zu "tik-" und "tikk-". "tikan" und "tikkan" sind die germanischen Bezeichnungen für das Tier, woraus sich in passender Weise „Stecher” als ursprüngliche Bedeutung des Lexems tick ergibt.
Der biologische Begriff „Zecken” bezeichnet in gut umschriebener Weise Tiere, die eine mutmaßlich ⇒ monophyletische Ordnung innerhalb der Überordnung parasitiforme Milben in der Klasse Spinnentiere bilden. cit. Mans et al. [2016]. Sie sind alle ⇒ obligatorisch Blut saugende Ektoparasiten von terrestrischen Wirbeltieren. Diese Eigenheit macht sie zu Lästlingen und, falls sie eine für den Menschen erkennbare klinische Symptomatik erzeugen, auch zu Erregern. Einige Arten können zudem auch noch pathogene Mikroorganismen übertragen, die bei Mensch und Tier schwere Krankheiten hervorrufen können. Diese Zecken nennt man dann in der Virologie ⇒ Vektoren, in der Parasitologie ⇒ Überträger. cit. Sonenshine [1993]. Zecken sind eine phylogenetisch alte Gruppe blutsaugender Milben. Sie sind gekennzeichnet durch einen sehr hohen Grad an spezieller Anpassung an ihre parasitäre Lebensweise. In manchen Fällen ist ihnen auch eine hohe Effizienz als ⇒ Reservoire von für Menschen und andere Wirbeltiere infektiösen Erregern eigen. Zecken ernähren sich ausschließlich von einem Blut- und Gewebslysat ihres Opfers, des Wirtes. Dieser Wirt ist ein während des Blutsaugens immer noch lebendes, terrestrisches Wirbeltier. Zecken sind also definitionsgemäß Parasiten.
Aus dem Altgriechischen: παρασιτος - ein parasitus war in der klassischen griechischen Antike ein ungeladener Mitesser an der Tafel eines wohlhabenden Bürgers, meist ein Schmeichler und Possenreißer; para = nahe, bei, neben, an & sitos = Essen. Naturwissenschaftlich gesehen sind Parasiten ein- oder mehrzellige Tiere- Kosten eines artfremden, lebenden Organismus, des Wirtes, durch Energieraub, meistens realisiert in Form von Nahrungsraub, leben. Aus historischen Gründen zählt man in der Medizin, Veterinärmedizin und Zoologie Transposons, Viren, Bakterien, Archaea, Pilze, Pflanzen und Pflanzenfresser nicht zur Gruppe der „Parasiten”, dies selbst dann nicht, wenn diese biologischen Einheiten nach der Definition obligatorisch parasitisch leben.
Das für Zecken archetypische Blutsaugen erfolgt nicht wahllos an irgendeinem Tier, das sich nicht wehren kann, sondern die meisten der Zecken-Arten sind wenig bis moderat wirtsspezifisch. Eine relativ kleine Gruppe von Arten ist streng wirtsspezifisch, dh sie - t nur an einer einzigen Wirtstier-Art. Meist haben niedere taxonomische Einheiten auch eine übereinstimmende Wirtsspezifität. Es ist allerdings zu beachten, dass die meisten Zecken-Arten den größten Teil ihres Lebens nicht-parastierend verbringen. Zecken sind also ⇒ temporäre Parasiten. Nur die wenigen ein-wirtigen Arten verlassen den Wirt gar nicht mehr oder nur zum Eierlegen. Allerdings benötigen alle Entwicklungsstadien eine oder mehrere Blutmahlzeiten. Ausgenommen davon sind die Eier, die im Ei verbleibenden Larven, und bei manchen Arten auch die Männchen. Weltweit sind bisher 954 Zecken-Arten in drei Familien beschrieben worden, wobei eine der Familien bisher nur eine bekannt gewordene, in Afrika beheimatete Art enthält. Vertreter der beiden wichtigen Zeckenfamilien, die Schild- und die Lederzecken, kommen hingegen auch in Österreich vor. Allerdings haben nur die Schildzecken, deren bekanntesten Vertreter die 16 heimischen Ixodes-Arten sind, erhebliche humanmedizinische Bedeutung als ⇒ Überträger von Borrelien und von zahlreichen ARBO (arthropode - borne)-Viren, darunter des Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus (FSME). Zudem können Zecken aber auch selbst Krankheiten ⇒ erregen. Der Stich mancher, meist nicht-heimischer Zecken-Arten kann schwere Intoxikationen auslösen, die bekannteste Intoxikation ist die manchmal tödlich verlaufende ⇒ Paralyse, Zeckenparalyse genannt.
Wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts besonders die Aufklärung von grundlegenden Fragen zur direkten human- und veterinärmediz- Bedeutung von Zecken in Österreich vorangetrieben, so wird heute davon ausgegangen, dass die Inzidenz der von Zecken übertragenen Infektionen steigt. Dies wird einerseits auf eine Erhöhung der ⇒ Abundanz wirtssuchender Zecken und andererseits auf eine Veränderung unserer Freizeitverhaltens, das zur Exposition führt, zurückgeführt. Dadurch haben sich teilweise ganz neue Problemstellungen ergeben. Solche aktuellen Fragestellungen sind zB:
- Ob und welche anderen Zecken, abgesehen vom besonders ⇒ anthropophilen Holzbock, eine Rolle in den Zyklen von humanpathogenen Infektionserregern und als Vektor übernehmen können.
- Ob fremde, meist tropische Zecken-Arten, außer der Braunen Hundezecke, und mit ihnen neue Infektionserreger durch den Tierhandel, besonders jenen mit Hunden und Exoten, mit importiert werden und sich hier in ⇒ Zentraleuropa etablieren können.
- Ob ⇒ allochthone Zecken sich in heimischen Vivarienanlagen und (Wohn-)Zimmern soweit vermehren können, dass sie zur Plage werden, und
- ob natürliche Veränderungen in den Zuggewohnheiten von Vögeln zu Änderungen in der Zusammensetzung der heimischen Zeckenfauna führen.
I.2 Österreichs Faunenregionen und Lebensräume für Zecken
Abb. I.1: Die biogeographischen Regionen und Lebensräume in Österreich. © A. Hassl, 2021.
Die Angehörigen etwa der Hälfte der Zecken-Arten Österreichs leben in der Wildnis oder, genauer, in den vom Menschen zum Zwecke der Forst-, Weide-, Land- und Erholungswirtschaft umgestalteten, der Witterung ausgesetzten Lebensräumen. Diese frei-lebenden Zecken, aber auch jene, die in den Nestern und Bauen ihrer Wirtstiere leben (⇒ nidikole Arten), sind integrierte Teile der lokalen Tierwelt, der Fauna. Teilt man die Tier- und Pflanzenwelt nach Lebensräumen ein, so bilden sich bio- und geoökologische Muster von Lebensräumen mit dominierenden biotischen und abiotischen Gemeinsamkeiten ab, die Faunen- und Florenregionen genannt werden.
Durch Österreich verläuft nun die Grenze zweier großer europäischer Faunen- und Florenregionen, der Pannonischen Region, die hier lokal etwa der pontische Florenregion entspricht, und der Kontinentalen Faunenregion, die eine biogeographische Ähnlichkeit mit der baltische Florenregion aufweist. Österreich hat aber zudem einen erheblichen Anteil an einer dritten Region, der Alpinen. Bei Verwendung des Wortes Alpin ist allerdings darauf Bedacht zu nehmen, dass die alpine Florenregion topographisch nicht der alpinen Faunenregion entspricht und beide kaum den Begriffskern von dem abdecken, was man landläufig unter einem alpinen Lebensraum versteht. Zecken besiedeln allerdings ⇒ Habitate, die durch Lebensraumbeschreibungen unter Angabe des vorherrschenden Vegetationstyps und der vorkommenden potentiellen Wirtstiere meist besser charakterisiert werden als durch die Angabe der Zugehörigkeit zu einer Faunenregion.
Eine vierte, die Mediterrane Faunenregion, wird in Österreich nur durch wenige, durch das Kanaltal oder über Südkärnten ⇒ postglazial eingewanderte Arten repräsentiert, so zB durch die Mauereidechse Podarcis muralis. Partiell und korrigiert cit. Hilgers [1976]. Etwas vereinfacht dargelegt ist die Faunenregion im warm-trockenen Osten Österreichs die Pannonische. Die Kontinentale Faunenregion beschränkt sich streng gesehen auf einen Streifen in Nord- und Ostösterreich, der große Rest ist die Alpine Region. Allerdings sind die charakteristischen „alpinen” Lebensräume und Habitate auf die Höhenlagen über der Baumgrenze, also in Österreich gegenwärtig noch auf über 1800 m Seehöhe beschränkt. Diese Lagen werden allerdings von allen nicht-in-den-Wirtsnestern-lebenden Zecken streng gemieden. Von Vögeln verschleppte Zecken können jedoch im Sommerhalbjahr vermutlich auch in den alpinen Lagen einige Zeit überleben.
Für die frei-lebenden Zecken gilt mit Einschränkungen die althergebrachte Behauptung, dass Zecken auf Grund ihrer Physiologie warmes vor kaltem Klima bevorzugen. Frei-lebende Zecken sind daher in den warmen Gebieten Ostösterreichs häufiger anzutreffen als im kühleren Rest. Sie können aber, abhängig von ihrer Stammesgeschichte, entweder als reliktäre ⇒ glaziäre Tundrabewohner oder als ⇒ postglaziale Einwanderer, mit der Trockenheit der Kultursteppe Ostösterreichs oft nicht gut umgehen. Auwälder im Osten des Landes scheinen daher diesen Arten bessere Lebensräume zu bieten als die Kultursteppe. In Mitteleuropa sich entwickelt habende, dh ⇒ autochthone Arten mit frei-lebenden ⇒ Stadien können daher besser einer Faunenregion zugeordnet werden als eingewanderte Spezies. Autochthone Arten haben meist hohe Ansprüche an das Mikrohabitat. Mittels eines komplex organisierten Verhaltens wird ihre Lebensweise diesen Ansprüchen auch gerecht - sie sind also, wie erwartet, gut an die mitteleuropäischen Verhältnisse angepasst. Die bedeutendste Zecken-Art Österreichs, der frei-lebende und höchstwahrscheinlich sich autochthon entwickelt habende Gemeine Holzbock, Ixodes ricinus, kann offensichtlich alle ⇒ humiden, jedoch nicht die nassen und nicht die hochalpinen Lebensräume aller heimischer Faunenregionen besiedeln.
Anders sieht es mit jenen Zecken aus, die an die Brut- und Ruhestätten der Wirte gebunden sind. Diese Lebensweise nennt man in der Fachsprache „nidikol”, dh aus dem Lateinischen übertragen „nestbewohnend”. Solche Zecken sind in ihrem lokalen Vorkommen weniger vom Makroklima beeinflusst als frei-lebende, weil die Wirtstiere durch ihr Verhalten immer wieder für eine Temperierung und eine konstante Feuchte in den Nestern und Bauten sorgen. Liegt dieses „Nest” auch noch in einer Baum-, Erd- oder Felsenhöhle, so kommt noch ein Schutz vor der Witterung dazu. Solche Zecken leben ⇒ „kavernikol”. In beiden genannten Lebensweisen müssen sich die Zecken kaum einmal um das Auffinden eines geeigneten Wirtes kümmern. Diese kommen zumindest während ihrer Brut- oder Ruhezeiten verlässlich zu ihnen oder stehen als immobile Jungtiere ununterbrochen als Blutspender zur Verfügung. Und allzu viel bewegen müssen sich solche Zecken in den meisten Fällen auch nicht. Dies gilt speziell für die ganzjährig in den Wohnhöhlen von winteraktiven Säugern lebenden Zecke, wie zB die Fuchszecke Ixodes canisuga. Diese ist allerdings in ihrer ⇒ trophischen Spezialisierung noch nicht sehr weit fortgeschritten. Solche Arten sind aus evolutionärer Sicht in einer vorteilhaften Position.
Etwas andere Bedingungen gelten für jene Zecken-Arten, die ein Teil einer Höhlenfauna sind. In Österreich sind das mutmaßlich die meisten Fledermausspezialisten. In Höhlen ist die Veränderlichkeit des Wetters ausgeschalten, es herrscht ganzjährig ein weitgehend konstantes Mikroklima, und die koloniebildenden Wirtstiere sind meist ganzjährig in regelmäßigen Zeitabständen in ausreichender Zahl verlässlich verfügbar. Allerdings bringt das hochentwickelte Sozialverhalten und vielleicht auch die Immunologie dieser Tiere erhebliche Nachteile für die Zecken mit sich. Sie müssen ihren Wirt nach dem Blutsaugen verlassen und sich an den Höhlenwänden oder am -boden häuten. Dadurch können die zurückzulegenden Strecken zu den Blutquellen für solche Zecken manchmal beträchtlich lang und schwierig zu bewältigen sein. Deshalb haben einige höhlenbewohnende oder ⇒ kavernikole Arten lange Schreitbeine ausgebildet und wirken habituell Spinnen-ähnlich.
Für den folgenden Text gilt: Die meisten Angaben zum Vorkommen und zur Bionomie der mitteleuropäischen Zecken-Arten sind Kompilationen der Publikationen von Pretzmann et al. [1967], Pfoser [1948], Sixl et al. [1969], Sixl et al. [1971b], Sixl [1971c], Sixl [1971b], Mahnert [1971], Sixl [1972a] und Sixl et Nosek [1972]. Andere Aspekte und neuere Erkenntnisse werden jeweils an Ort und Stelle mit dem passenden Zitat belegt.
Interessant ist der Aspekt der gegenwärtigen Klimaveränderung, der zum Einwandern und/oder Ausbreiten mediterraner Faunenelemente führen könnte, so zB zum Auftauchen von Rhipicephalus bursa. Bedacht muss allerdings immer werden, dass Schildzecken während des Blutsaugens durch ihre Wirte leicht verschleppt werden können. Funde von Zecken der Gattung Ixodes auf über 3000 m Seehöhe sind sicherlich auf eine Verschleppung durch (Zug-)Vögel zurückzuführen und nicht auf eine dauerhafte Besiedlung der hochalpinen Lagen durch diese Zecken. Besonders problematisch in der Abwägung einer ⇒ Autochthonie sind die Funde von ⇒ ornithophilen, mediterranen Ixodes-Arten in ⇒ Zentraleuropa, wie zB von Ixodes festai. cit. Schulz [2013]. Ich habe solche Arten dann nicht in die unten stehende Liste der heimischen Zecken-Arten aufgenommen, wenn sie einerseits in Österreich noch nie gefunden worden sind, und sie gleichzeitig zum Zwecke einer feldentomologischen ⇒ Bestimmung unbefriedigend beschrieben worden sind. Beispielsweise ist so ein Fall gegeben, wenn nur die Männchen einer Zecken-Art bekannt sind.
I.3 Lebensbilder einiger in Österreich heimischer Zecken
In der nachfolgenden Abbildung I.2 Bilder vom Habitus eines ⇒ Adulttierss von siebzehn der 30 in Österreich vorkommenden Zecken-Arten. Die meisten der gezeigten Tiere befallen als Larven und/oder Nymphen auch den Menschen. Im Falle des Auffindens einer Zecke am Menschen lohnt es also, genauer hinzusehen und die Zecken-Art zu bestimmen. Einige dieser Abbildungen stammen aus einer Publikation von Nosek et Sixl [1972], die Zusammenstellung von Abbildungen aus vielerlei Quellen erfolgte im Zuge der Vorbereitung einer Fortbildungsveranstaltung, die ich am 25.07.2017 in der Wiener Ärztekammer abhalten durfte. Österreichs Zecken sind eine Gruppe von in ihrem Erscheinungsbild sehr heterogenen Tieren, die Individuen einiger Arten haben ein überaus attraktives Äußeres und einige Tiere, insbesondere jene von an-Fledermäusen-saugenden Arten, einen exotischen, einem Weberknecht ähnlich sehenden Habitus.
I.4 Eine tabellarische Übersicht über die Zeckenfauna Österreichs
Die Vorlage zur Tabelle I.1, in der die in Österreich vorkommenden Schildzecken-Arten gelistet werden, stammt ursprünglich von Radda et al. [1986]. Dessen Angaben dienten als Grundlage zur Erstellung, seine Tabelle wurde allerdings von mir erheblich verändert, insbesondere um die Lederzecken ergänzt, und in der Nomenklatur korrigiert.
- In Österreich vermutlich vorkommende Zecken-Arten: 30
- In Österreich verbürgt nachgewiesene Zecken-Arten: 22
- In Österreich vermutlich heimische¹ Zecken-Arten: 28
- In Österreich vermutlich autochthon² vorkommende Zecken-Arten: 4
- Wahrscheinlich in Österreich indigene³, anthropophage⁴ Zecken-Arten: 15
- Wahrscheinlich in Österreich heimische, nidikol⁵ oder kavernikol⁶ lebende Zecken-Arten: 12
Legende zu Tab. I.1: Die Abkürzungen und deren Erläuterungen
¹heimisch: Die Tierart wird in Österreich regelmäßig gefunden. Die Mindestanforderung ist also, dass sie regelmäßig zB durch Zugvögel eingeschleppt wird und zumindest einen Sommer überleben kann. Zusätzlich kann eine heimische Tierart aber auch noch
³indigen sein, dh sich derzeit in Österreich vermehren, auch wenn es sich um ein Neozoon handelt. Es werden dann alle Stadien inklusive der Eier in Österreich auffindbar sein. Diese Vermehrung ist im Zusammenhang mit der ⇒ transovariellen und ⇒ transstadialen Übertragung von Erregern von eminenter Bedeutung. Eine heimische Tierart kann aber zudem auch noch
²autochthon sein, dh die Tierart hat sich lokal aus Vorläuferformen entwickelt. Das heutige Vorkommen vor Ort ist nicht auf eine postglazial stattgefundene, sekundäre Ausbreitung zurückzuführen.
Akzidentell eingeschleppte Zecken-Arten werden hier nicht als heimische Tiere geführt.
⁴anthropophag: Die Zecke akzeptiert den Menschen als Wirt und sie kann ihn - zum Zwecke der Blutaufnahme - zumindest erfolgreich stechen. Ob sie faktisch an ihm auch Blut saugt, ist als Tatbestandsmerkmal umstritten. Trotz des offenbaren Begriffskerns des Terminus „anthropophag” ist nach allgemeiner Ansicht eine erfolgreiche Verdauung des Blut nicht erforderlich, um die Definition zu erfüllen.
⁵nidikol: Die strenge Definition lautet: Die Zecke lebt im Nest ihres Vogelwirtes. Ein Phänomen der ⇒ Synökie. Allerdings bedeutet das lateinische nidus auch Wohnstätte, Wohnsitz, und nidikol kann daher auch für Säugetierbau-bewohnende Ektoparasiten benutzt werden. In diesen- errschen ähnliche mikroök- Bedingungen wie in den Vogelnestern, ausgenommen der Faktor Verdunstung. Falls der Wirt im Winter nicht wegzieht und keinen Winterschlaf mit einer erheblichen, dauerhaften Absenkung der Körpertemperatur hält, unterliegt die Zecke in ihrer Individualentwicklung keiner oder einer verminderten Periodizität. Auch ihre Fähigkeiten zur Wirtssuche und -identifikation sind meist erheblich reduziert.
⁶kavernikol: Höhlenbewohnend. Dies kann bedeuten, dass das Tier ein Teil der Höhlenfauna ist. Aber auch in Dachstühlen und Kirchentürmen gefundene und mit im Sommer dort rastenden Fledermäusen assoziierte Zecken werden so bezeichnet, obwohl troglophil (die Höhle ist ein Zweit- oder Alternativhabitat) wahrscheinlich richtiger wäre.
Tab. I.1: Die Zeckenfauna Österreichs | ||||||||
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Zeckenart | deutscher oder englischer Name |
in Österreich nachgewiesen |
in Öster- reich: |
anthro- pophag |
nidikol oder cavernikol | Haupt- Wirtstaxon |
Bionomie & Faunenelemente |
Anmerkung |
Argas persicus | Hühnerzecke | i | ? | ? | Hausgeflügel | ornithophiler Spezialist | Vorkommen in Österreich vermutet, Landwirtschaftsfolger | |
Argas reflexus | Westliche Taubenzecke | x | i | x | x | Haustauben | columbophiler Spezialist, mediterranes Fe | synanthropes Neozoon?, Zivilisationsgewinner, vielleicht eine invasive species |
Argas polonicus | Östliche Taubenzecke | i | x | x | Haustauben | columbophiler Spezialist | urbaner Zivilisationsgewinner in synanthropen Habitaten | |
Argas vespertilionis | x | h | x | x | Fledermäuse | cavernikol; streng microchiropterophiler Spezialist | troglophil (?) | |
Dermacentor marginatus | Schafzecke | x | a | x | Weidetiere | kontinentales Fe | Laufzecke | |
Dermacentor reticulatus | Auwaldzecke | x | i | x | Haustiere, Kleinsäuger | pannonisches Fe | Laufzecke mit im Adultstadium bimodalem Aktivitätsmuster und der höchsten Tenazität aller Zecken in Ö | |
Haemaphysalis concinna | Buschzecke | x | a | x | euryxen, exophil, Weidetiere | pannonisches Fe | ||
Haemaphysalis inermis | Winter tick | h | Säugetiere | pannonisches Fe | Vorkommen in Österreich vermutet | |||
Haemaphysalis parva | h | Säugetiere | mediterranes Fe (?) | Vorkommen in Österreich möglich, aber unwahrscheinlich | ||||
Haemaphysalis punctata | Red sheep tick | x | i | x | euryxen, Säugetiere | ubiquitär | nur einmal in Linz auf einem Iltis gefunden | |
Hyalomma aegyptium | Tortoise tick | x | e | ? | Landschildkröten | Zufallsfund & testudophiler Spezialist | akzidentell eingeschleppt | |
Hyalomma marginatum | h | x | Säugetiere, Vögel, insb. Eichelhäher | mediterranes Fe | Unklare Abgrenzung zwischen heimisch und regelmäßig eingeschleppt | |||
Ixodes acuminatus | Südliche Nagetierzecke | x | i | x | x | Kleinsäuger | Spezialist | Synonym: I. redikorzevi, Landwirtschaftsfolger |
Ixodes apronophorus | Marsh tick | x | i | Mäuse | kontinentales Fe | hygrophile Art | ||
Ixodes arboricola | Tree-hole tick; Baumhöhlenzecke | x | h | x | Kleinvögel | kontinentales Fe, ornithophiler Spezialist | ||
Ixodes ariadnae | h | x | Fledermäuse | cavernikoler Spezialist | Vorkommen in Österreich vermutet | |||
Ixodes canisuga | Fuchszecke | x | i | x | x | Fuchs, Dachs (?), auch Hund | Spezialist | suburbaner Zivilisationsgewinner |
Ixodes frontalis | Passerine tick | x | h | bodenbewohnende Kleinvögel | ornithophiler Spezialist | ein Belegexemplar aus NÖ im NHMW | ||
Ixodes hexagonus | Igelzecke | x | h | x | x | Igel & Kleinräubsäuger | kontinentales Fe | nachtaktiver, urbaner Zivilisationsgewinner |
Ixodes inopinatus | x | i | Adulte: Fuchs | mediterranes Fe ? | Bionomie unbekannt | |||
Ixodes laguri | i | x | x | Ziesel, Hamster, vielleicht Hausratte, Hausmaus | pannonisches Fe & Spezialist | zumindest ein früheres Vorkommen in Österreich wahrscheinlich, Landwirtschaftsfolger, vielleicht Reliktvorkommen | ||
Ixodes lividus | Uferschwalbenzecke | x | i | x | Uferschwalbe | streng ornithophiler Spezialist, holarktisches Fe | ||
Ixodes persulcatus | Taigazecke | x | h | x | Kleine Säugetiere | kontinentales Fe | Einzelfundmeldung aus Tirol, wahrscheinlich wiederholt eingeschleppt | |
Ixodes ricinus | Gemeiner Holzbock | x | a | x | Säugetiere, Vögel | kontinentales Fe | lauerjagender Generalist mit bimodalem Aktivitätsmuster, vermutlich Zivilisationsverlierer | |
Ixodes rugicollis | x | i | Hauskatzen, Hunde | Spezialist | Landwirtschaftsfolger | |||
Ixodes simplex | h | x | Fledermäuse, vielleicht nur die Langflügelfledermaus | cavernikol; streng microchiropterophiler Spezialist | Vorkommen in Österreich sehr wahrscheinlich, da in Deutschland, Ungarn und in der Slowakei nachgewiesen | |||
Ixodes trianguliceps | Mauszecke | x | a | x | frei-lebende Kleinsäuger, Wald- & Spitzmäuse | kontinentales Fe & frei-lebender Mäusespezialist (?) | hochalpines Vorkommen, vielleicht Eiszeitrelikt | |
Ixodes vespertiliones | long-legged bat tick | x | h | Fledermäuse | Höhlen-fe & streng microchiropterophiler Spezialist | frei-lebend an den Höhlenwänden | ||
Rhipicephalus sanguineus | Braune Hundezecke | x | i | x | x | Hunde | äthiopisches Fe & Spezialist | anthropogen eingeschleppter, allochthoner, indoor lebender Zivilisationsgewinner, synanthropes Neozoon |
Rhipicephalus turanicus | x | e | Hunde, alle Säugetiere | Zufallsfund, Spezialist ?? | akzidentell eingeschleppt, widersprüchliche Angaben |
Erkennbar ist, dass keine heimische Zecken-Art anthropostenoxen ist, dh auf den Menschen als alleinigen Wirt spezialisiert ist. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil damit klar wird, dass alle heimischen, von Zecken auf den Menschen übertragenen Infektionserreger in Wildtieren ihr ⇒ Reservoir haben. Dies bedeutet, dass diese Infektionserreger nur dann ausgerottet werden könnten, wenn man die gesamte wildlebende Fauna Österreichs eliminiert. Eine Verminderung der Häufigkeit von durch Zecken übertragenen menschlichen Infektionskrankheiten lässt sich also nur mittels einer ⇒ Prophylaxe vor Zeckenstich-Exposition oder durch vorbeugende Impfungen zum Schutz vor dem Ausbruch der Erkrankung erreichen.
I.5 Lebensräume und Gefahrenareale
Abb. I.3: Ein sehr guter Lebensraum für den Holzbock, Ixodes ricinus, im Wienerwald nahe Wien. © A. Hassl, 2018.
Die meisten Individuen aus der Gruppe der Zecken leben in Mitteleuropa in den Bauten oder Nestern ihrer Wirtstiere und befallen auch nur diese. So lebende Zecken, ⇒ nidikole und ⇒ kavernikole Arten, fallen uns Menschen somit gar nicht weiter auf und werden daher nur selten bewusst wahrgenommen. Einige wenige Zecken-Arten suchen jedoch aktiv im Freiland nach Wirtsorganismen und attackieren sowohl Menschen als auch Haus-, Heim- und Nutztiere. Viele dieser Arten, insbesondere der Gemeine Holzbock, Ixodes ricinus, leben in der dünnen Laubschicht von Laubwaldrändern, auf Waldlichtungen und an bewaldeten Ufersäumen, also in Gebieten, die als Naherholungsräume von Stadtbewohnern intensiv genutzt werden. Kleinräumig betrachtet kann die Dichte einer Zeckenpopulation mitunter extrem hoch sein, einige hundert Exemplare auf wenigen Quadratmetern. Die in Österreich überaus häufigen Holzböcke sitzen als wirtssuchende ⇒ Nymphen und Adulttiere auf den Spitzen von Gräsern und Kräutern, in einer Höhe von 20 bis 30 cm, höchstens aber von 70 cm. Sie nehmen dabei eine typische Lauerhaltung ein.
Abb. I.4: Ein Ixodes-Weibchen in typischer Lauerhaltung.
Kommt ein Säugetier mit seinem Fell oder ein Mensch mit der Kleidung an den Spitzen des ausgestreckten ersten Beinpaares der lauernden Zecke an, klammert sich diese sofort am Opfer fest und lässt den Halm los. Unmittelbar darauf versucht die Zecke auf die Haut zu gelangen, sie durchkriecht dazu auch enge Öffnungen wie zB Knopflöcher. Dort angelangt beginnt sie eine passende Stelle zu suchen, um ihren Wirt zu stechen und dann Blut zu saugen. Der Holzbock kann sich auch mit Hilfe einer Blutmahlzeit vom Menschen zum nächsten Stadium häuten oder Eier produzieren, was nicht allen in Österreich vorkommenden Zecken-Arten möglich ist. Der Mensch ist also auch faktisch ein brauchbarer Wirt im Lebenszyklus dieser Zecken-Art. Viele andere Arten vertragen das Menschenblut hingegen nicht so gut und können sich mit seiner Hilfe gerade nur vor dem Verhungern retten, nicht jedoch weiter entwickeln. Manche können selbst dies nicht, weil sie auf das Blutsaugen von bestimmten Wirtstier-Arten spezialisiert sind, und ihre Darmsymbionten das Menschenblut nicht verdauen können. Manchmal versuchen aber auch solche Zecken vom Menschen Blut abzuzapfen - auch dann, wenn sie es gar nicht verdauen können oder daran sogar verenden.
Mitteleuropäische Zecken vertragen im Allgemeinen eine geringe Luftfeuchte nur schlecht. Besonders aktiv und damit für Menschen zahlreich erscheinend sind sie an feuchten, warmen Sommertagen nach einem Regenschauer. Die ⇒ Abundanz von Holzböcken scheint in unseren Breiten geringer zu werden, wenn im Frühjahr eine längere Kälteperiode ohne schützende Schneebedeckung des Bodens auftritt. Diese Beobachtung kann aber auch auf den indirekten Effekt der Verminderung der Kleinsäugerpopulationen zurückgeführt werden. Eine Erhöhung der Häufigkeit durch Zecken übertragener Meningoenzephalitis (FSME) in den letzten zwanzig Jahren führen Wissenschaftler in Schweden auf eine gleichzeitig erfolgte, lokale Erwärmung zurück, die vermutlich die Ausbreitung und die Inzidenz der Vektoren der FSME, Zecken der Gattung Ixodes, fördert. Für eine lokale Erhöhung der Zeckenpopulation bedeutsame Klimafaktoren sind in Südschweden zwei aufeinanderfolgende milde Winter, ein früher Frühjahrsbeginn sowie eine ausgedehnte Herbstperiode. cit. Lindgren et Gustafson [2001]. In Österreich ist die Situation allerdings nicht so einfach: Da Österreichs medizinisch bedeutendste Zecken-Art, der Gemeine Holzbock, schlecht mit Trockenheit umgehen kann, führt eine lokale Klimaveränderung zum Wärmeren zu einer Verschiebung des für den Holzbock idealen Habitatstreifens in höhere Lagen. Dieses Gebiet ist aber logischerweise flächenmäßig kleiner als das heutige Verbreitungsareal, beinhaltet weniger Feuchtbiotope in den Talgründen und ist derzeit auch weniger dicht besiedelt. Ob andere, mehr xerotolerante, mediterrane Zecken-Arten die dann entstehende Lücke im Vektorenspektrum ausgleichen können, ist unbekannt. Die Realisierung einer solchen Substitution erscheint zumindest in den nächsten Jahrzehnten eher unwahrscheinlich zu sein.
Der Zeitraum der Gefährdung des Menschen durch Stiche am Menschen Blut saugender und im Freiland lebender Zecken ist aber nicht auf die warme Jahreszeiten beschränkt. Die Humusschicht im Wald ist auch nach längeren Trockenzeiten feucht genug, um Zecken in ihren Mikrohabitaten aktiv sein zu lassen. Streift man durch den Mischwald, insbesondere abseits von breiten Wegen, so ist es ratsam, lange helle Hosen zu tragen und diese ab und zu nach Zecken abzusuchen. Diese kann man dann mechanisch entfernen. Sie zu töten ist eine ziemlich zeitraubende und moralisch fragwürdige Angelegenheit, sind doch nur die wenigsten Zecken eine Bedrohung für die menschliche Gesundheit und jedes andere bewusste Töten eines Tieres, dessen Kadaver nicht menschliche Grundbedürfnisse stillt, eine unredliche Handlung. Andererseits kann man mittels dieser „Abstreiftechnik” an günstigen Tagen und an ebensolchen Orten binnen weniger Stunden hunderte (!) Zecken aufsammeln, allerdings nur Individuen solcher Arten, die das Wirtssuchverhalten des ⇒ Lauerjägers aufweisen.
In Österreich ist es zur ⇒ Prophylaxe ausreichend, nach der Rückkehr von einem Aufenthalt im Freien während der Zeckensaison sich selbst und seine Angehörigen - und gegebenenfalls den Hund - daheim sorgfältig nach Zecken abzusuchen. Da Holzböcke erst einige Zeit in der Kleidung herumkrabbeln bevor sie zum Stich kommen, nützt zur Stichprophylaxe das zeitnahe Umziehen. Die beim Aufenthalt im Freien getragene Kleidung soll sorgfältig abgesucht oder gewaschen werden. Ausschütteln nützt hingegen wenig. Jedenfalls soll man die Kleidung nicht unbedacht weiter tragen oder nicht-inspiziert in den Kleiderkasten hängen. Auch der Hund sollte nur sorgfältig abgesucht werden. Denn, beschäftigt man sich mit seinem Haustier gebührend, vermeidet man das schleichende Vergiften seines Haustieres durch ein Übermaß an verabreichten Repelletien.