VIII.1 Argas Latreille, 1795
Inhaltsverzeichnis:
- VIII.1.1Kurzbeschreibung der Gattung
- VIII.1.2Bestimmungsschlüssel für die Argas-Arten,
- ❍Weibchen, Männchen und Nymphen
- ❍Hypostome der Weibchen, Männchen und Nymphen
- ❍Larven
- VIII.1.3Kurzbeschreibung von in Europa nachgewiesenen Argas-Arten,
- ❍Argas transgariepinus
- VIII.1.4Einzelbeschreibung der Arten,
- ❍Argas persicus
- ❍Argas reflexus
- ❍Argas polonicus
- ❍Argas vespertilionis
VIII.1.1 Kurzbeschreibung der Gattung Argas
- Benennung: Lederzecken - Soft Ticks - Argasidés - garrapatas blandas
- Klassifikation nach ICD-10-GM: B88.2 Sonstiger Befall durch Arthropoden
- System (Reich/Stamm/Klasse/Ordnung/Familie): Metazoa/Arthropoda/Arachnida/Ixodida/Argasidae
- Artenzahl: Genus Argas: 61 Arten im Jahre 2020, in Österreich wahrscheinlich vier Arten
- Charakteristik der heimischen Arten: permanenter, temporärer, obligatorischer, stenoxener, telmophager, nachtaktiver, ektoparasitischer Blutsauger
- Status: Erreger und Vektor
- Übertragungsart: Beim Blutsaugen mit dem Speichel und der Coxalflüssigkeit
- Wirtsspektrum in Österreich: Vögel, auch Fledermäuse, selten der Mensch als Fehlwirt
- Entwicklung: Ein Larvenstadium, zwei bis acht, häufig drei Nymphenstadien, getrenntgeschlechtliche Adulte
- Entwicklungsdauer: (Ei/Larve/Nymphen/Adulte): 7 bis 14d/14 bis 20d/bis 6m/bis 15a
- Habitate in Österreich: Argas reflexus & A. polonicus: Taubenschläge; sonst: Ansammlungen oder Kolonien der Wirtstiere, A. vespertilionis ist ein Bestandteil der Höhlenfauna
Abb. VIII.1.1: Ein Lebensbild einer Zecke der Gattung Argas.
© unbekannt.
Eine monographische Bearbeitung dieser Gattung erfolgte bereits 1908 durch Nuttall et al. [1908], eine gute (englische), aber nicht mehr brandneue Zusammenstellung von Wissenswertem ist in Service [1986] zu finden. Der Körper der Tiere der Gattung Argas ist oval oder rund und, im nüchternen Zustand, dorsiventral stark abgeflacht. Das Integument ist weich und ledrig, es besitzt feine Tuberkeln oder eine Granulierung. Der Körper hat einen scharfkantigen Rand, den Saum, weshalb die Familie auch manchmal Saumzecken genannt wird. Dieser Saum weitet sich beim Saugakt nicht, so dass er bei hungernden Tieren leicht hochgebogen ist, bei vollgesogenen als gewölbter Rand erscheint. Ein Charakteristikum der Gattung Argas sind die neun Borstenhaare (⇒ Setae) in der Grube vor dem Haller'schen Organ auf Tarsus I. cit. Hoogstraal et al. [1984]. In der Abbildung linker Hand - einer Lebenddarstellung eines der wichtigsten Vertreters der Gattung, eines Exemplars von Argas reflexus, der Taubenzecke - ist der Saum sowie deutlich erkennbar.
Das ⇒ Capitulum liegt hinter der Vorderkante des Körpers auf dem Bauch, ist also von oben betrachtet nicht sichtbar; bei den Larven liegt es allerdings noch vor dem Körper. Das ⇒ Hypostom der Larven ist gut entwickelt mit großen, spitzen Zähnen, das der Nymphen und der Adulttiere hat rudimentäre Zähne. Die vierteiligen ⇒ Palpen sind beinähnlich, die ⇒ Chelizeren sind mächtig und gezahnt (siehe Bild rechts). Die ⇒ Spirakularplatte befindet sich zwischen dem dritten und dem vierten Beinpaar. Die ⇒ Pulvilli der Larven sind gut entwickelt, die der Nymphen und Adulttiere rudimentär. Argasiden besitzen, wie viele andere Spinnentiere und Schwertschwänze auch, ⇒ Coxaldrüsen. Die Ausführgänge dieser Drüsen enden zwischen den Basen der ersten beiden Beinpaare, daher auch der Name Coxaldrüse. Sie dienen der Ausscheidung von überschüssiger Flüssigkeit und Salzen nach einer Blutmahlzeit. Die ⇒ Genitalöffnung des Männchens ist hufeisenförmig, die des Weibchens oval.
Da die Larven der Gattung Argas häufig in der Eihülle verbleiben und/oder nur kurze Zeit frei-lebend sind, werden fast ausschließlich Adulte und Nymphen gefunden. Der Rücken aller Argasiden ist von einem ledrigen Integument bedeckt. Augen sind in der Gattung Argas nicht vorhanden. In Europa ist zwar nur eine Gattung ⇒ autochthon vertreten, Argas, andere Lederzeckengattungen werden allerdings manchmal eingeschleppt. Argasiden leben gewöhnlich in Höhlen, Löchern oder Ritzen von Ställen in der Nähe oder in oder an den Lager- und Schlafplätzen ihrer Wirtstiere. Man findet Lederzecken daher vor allem in Spalten und dem Nistmaterial ihrer Wirte, die sie nachts befallen. Die meisten Arten leben in den Nestern oder Bauten ihrer Wirte, sie leben also ⇒ nidikol. Nicht in Nestern oder Kolonien lebende Wirtstier-Arten werden nur selten befallen. In der Regel schmarotzen sie an Vögeln oder, seltener, Fledermäusen, einige Arten greifen aber auch andere Säugetiere einschließlich des Menschen an. Die Larve saugt nur einmal innerhalb von zwanzig Minuten Blut und entwickelt sich dann binnen einiger Tage weiter. Sie befallen ihre Wirte nur in geschlossenen Räumen, zB im Stall oder im Dachboden von Häusern. Jedes der drei, vier oder fünf Nymphenstadien saugt nur einmal kurz Blut und entwickelt sich danach weiter. Die exakte Zahl der Nymphenstadien bei den einzelnen gegenständlichen Arten ist bis heute nicht bekannt, weil die einzelnen Nymphenstadien ⇒ morphologisch nicht zu unterscheiden sind. Die adulten Weibchen saugen mehrmals Blut und legen nach jeder Mahlzeit Eier, jeweils vier bis sechs Haufen zu je 15 bis100 Stück. Der Saugakt selbst ist kurz, in der Regel dauert er einige Stunden und findet in der Nacht statt. Die Tiere leben bis zu 15 Jahre und können bis zu fünf Jahre hungern.
Genus-Synonyme sind Carios Latreille, 1796; Rhinchoprion Hermann, 1804 und Caris Latreille, 1804.
VIII.1.2 Bestimmungsschlüssel für die Argas-Arten, die in Zentraleuropa heimisch sind oder mit hoher Wahrscheinlichkeit vorkommen
Bestimmungsgraphik für die Hypostome der Weibchen, Männchen und Nymphen:
VIII.1.3 Kurzbeschreibung von in Europa nachgewiesenen Argas-Arten, die aber in Zentraleuropa mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vorkommen:
Argas transgariepinus White, 1846 en: Secretive Bat-argas
Synonyme:
Argas kochi Neumann, 1901;
Argas transgariepinus kochi Nuttall et al., 1908;
Ogadenus transgariepinus Camicas et al., 1998.
Diese Lederzeckenart saugt ausschließlich an Fledermäusen Blut. Sie wurde in Südfrankreich, Spanien, Marokko, Algerien, Ägypten, Israel, Griechenland, auf Sizilien und Korsika gefunden, in der Schweiz auf einer Fledermaus am Durchzug. Es scheint sich um eine wärmeliebende, mediterrane Zecken-Art zu handeln, die von ihren Wirtstieren selten oder nur durch Zufall nach ⇒ Zentraleuropa verschleppt wird. cit. Medard et al. [2001]. In Österreich wurde diese Lederzeckenart noch nie gefunden, ich glaube auch nicht, dass sie sich hier länger als einige Wochen halten könnte.
Wirte: Diese Zecken-Art ist wirtsspezifisch auf Unterordnungs-Niveau: Sie saugt nur an Fledermäusen, dh an Tieren der Unterordnung Microchiroptera.
- Heimische Wirte aller Stadien:
- Chiroptera: Eptesicus serotinus (Schreber, 1774) dt: Breitflügelfledermaus;
- Hypsugo savii (Bonaparte, 1837) dt: Alpenfledermaus, vielleicht nicht heimisch;
- Myotis emarginatus E. Geoffroy, 1806 dt: Wimperfledermaus;
- Myotis mystacinus Kuhl, 1817 dt: Kleine Bartfledermaus;
- Plecotus austriacus J. Fischer, 1829 dt: Graues Langohr.
VIII.1.4 Einzelbeschreibung der Arten, die in Zentraleuropa heimisch sind oder mit hoher Wahrscheinlichkeit vorkommen
Argas persicus Oken, 1818
dt: Hühnerzecke
Abb. VIII.1.6: Argas persicus.
© unbekannt.
Synonyme:
Rhynochoprion persicum Oken, 1818;
Argas mauritanius Guérin-Méneville, 1844;
Argas perricus George, 1877 (misapplied name);
Argas americanus firmatus Neumann, 1896;
Argas persikus Schneidemühl, 1896;
Argas miniatus firmatus Neumann, 1896;
Acarus persicus Manson, 1904;
Argas victoriensis Sweet, 1910;
Argas persicus persicus Fischer von Waldheim, 1823;
Argas persicus firmata Neumann, 1912;
Rhynchoprium persicum Castellani et Chalmers, 1919.
Adulte: Argas persicus ist eine dunkelrote Zecke, die vollgesogen eine blaue Farbe annimmt. Die Kutikula der Zecke ist unregelmäßig gezeichnet und sieht zerknittert aus. Das Männchen ist vier bis acht mm lang und 2,5 bis fünf mm breit, das Weibchen bis elf mm lang und 8,5 mm breit. Der Körper ist unvollkommen längsoval, manchmal asymmetrisch, die breiteste Stelle befindet sich hinter der Körpermitte. Der Saum der Cuticula ist breit und setzt sich aus viereckigen „Zellen” zusammen. Die Körperoberfläche besitzt viele runde oder ovale Vertiefungen. Der ⇒ Anus liegt ungefähr in der Mitte der Bauchseite. An der ⇒ Basis capituli sitzen vier lange Borstenhaare (⇒ Setae). Die ⇒ Palpen sind etwa doppelt so lang wie das ⇒ Hypostom. Die Seiten des Hypostoms sind ungefähr parallel, seine Spitze ist flach gestutzt und leicht eingekerbt. An seinem Ende befinden sich in zwei Längsreihen je drei großer Zähne, weiter nach unten dann in drei oder vier Längsreihen sehr kleine Zähne. Die ⇒ Coxen des ersten Beinpaares befindet sich in einigem Abstand von den anderen Coxen, welche sich berühren. Die Coxen des zweiten Beinpaares sind am längsten. Auf den Tarsi sitzt je ein kräftiger höckerförmiger Fortsatz.
Nymphen: Die Nymphen sehen den Weibchen ähnlich. Die Tiere des ersten Nymphenstadiums sind vollgesogen vier bis 4,5 mm lang. Die Anzahl an Nymphenstadien ist nicht genau bekannt, es sind drei oder vier.
Larven: Nach dem Schlüpfen ist der Körper fast regelmäßig rund, später etwas länglich. Auf der Cuticula befinden sich keine runden Vertiefungen. In der Mitte der Rückenfläche befindet sich ein glattes, häutiges Gebilde. Auf dem Körper sitzen viele lange Borstenhaare (Setae). Das ⇒ Hypostom hat parallele Seiten und ein abgerundetes Vorderende. An der Spitze sitzen die Zähne in je drei Längsreihen, weiter unten in je zwei. Die ⇒ Pulvilli sind gut entwickelt. Die Larve verbleibt nicht in der Eihülle, sie saugt innerhalb von neun Tagen wahrscheinlich mehrmals Blut.
Verbreitung & Bionomie: Diese Zecken-Art ist charakterisiert als ein ⇒ ornithophiler Landwirtschaftsfolger. Sie schmarotzt heute hauptsächlich an im Stall gehaltenem Hausgeflügel, die ursprünglichen Wirte waren wahrscheinlich Baumnest-bewohnende Vögel. Tiere dieser Art wurden kosmopolitisch verschleppt und finden sich in China (cit. Yang et al. [2020]) und sogar in Südafrika und Australien. cit. Barker et al. [2014]. Vermutlich stammen die verschleppten Tiere aus dem südlichen Mittel- oder Westeuropa, wo sie jedoch gegenwärtig ausschließlich nur in Geflügelställen gefunden werden. Der vorjungsteinzeitliche, ursprüngliche Lebensraum ist nicht bekannt. An der ⇒ Autochthonie dieser Art in ⇒ Zentraleuropa zweifle ich erheblich, es scheint sich um eine ursprünglich tropische bis subtropische Art zu handeln. Als wahrscheinlich zutreffend erscheint mir die Annahme, dass sich diese Zecke mit Hilfe der Geflügelzucht, insbesondere der Hühnerzucht, verbreitet hat. Es handelt sich somit um eine durch die landwirtschaftliche Revolution des Neolithikums begünstigte Art. Das Haushuhn, Gallus gallus domesticus, ist zwar an versc- Orten in Asien, Afrika und Europa mehrfach domestiziert worden, die in Österreich angestammten Hühner scheinen jedoch aus Zuchten in Indien zu stammen. Sie haben über Lydien im fünften Jahrhundert vChr Griechenland erreicht, von wo aus sie von den römischen Kolonisten über das römisch beeinflusste Europa verteilt wurden. Die ersten Funde in ⇒ Zentraleuropa stammen allerdings bereits aus der frühen Eisenzeit, 800 bis 450 vChr, von einem Siedlungsort bei Ulm. Diese Hühner, deren Herkunft ungeklärt ist, waren noch gut flugfähig und wenig standorttreu, weswegen sie ständig auf engem Raum im Stall gehalten wurden. Dies sind beste Voraussetzungen für die Ein- und Verschleppung der Hühnerzecke. Obgleich ihr Vorkommen in Österreich bislang noch nicht nachgewiesen wurde, ist es aber sehr wahrscheinlich, dass sie hier heimisch ist. Sie greift bei großem Hunger auch Rinder und Menschen an. cit. Estrada-Peña et Jongejan [1999]. Allerdings sind die Berichte über dramatische Stichfolgen sehr wahrscheinlich auf Reaktionen auf Stiche anderer Zecken-Arten zurück zu führen. Die Adulttiere verbergen sich tagsüber in Ritzen von Wänden oder im Holz von Stall- und Schuppenwänden. Die W- en in der Regel nachts heimgesucht, wobei die Hühnerzecken einige Stunden lang Blut saugen. Die Larven dagegen krallen sich an den Federn des Geflügels fest und sind dort als kleine Partikeln, wie Schrotkörner zu sehen. In Geflügelställen entwickeln sich mehrere Generationen pro Jahr. Bei Küken kann es im Falle eines heftigen Befalls zur ⇒ Paralyse kommen.
Wirte aller Stadien: Diese Zecken-Art ist ein ⇒ ornithophiler, oligophager Spezialist, der vermutlich jegliches Hausgeflügel befällt. Säugetiere sind als ⇒ Fehlwirte ohne Bedeutung im Lebenszyklus.
- Heimische Wirte aller Stadien:
- Columbiformes: Columba livia forma domestica (Gmelin, 1789) dt: Haustaube.
- Galliformes: Gallus gallus domesticus (Linnaeus, 1758) dt: Haushuhn;
- Meleagris gallopavo (Linnaeus, 1758) dt: Truthahn.
- Anseriformes: Anas platyrhynchos Linnaeus, 1758 dt: Hausente;
- Anser anser (Linnaeus, 1758) dt: Hausgans.
Vektor- & Erregerfunktion: Diese Zecken-Art ist für Menschen harmlos, weil sie den Menschen kaum einmal befällt. Allerdings überträgt sie zwei in der Geflügelzucht bedeutsame Erreger von tödlichen Geflügelkrankheiten: Borrelia anserina Sakharoff, 1891; und Aegyptianella pullorum Garpano, 1928. Auch eine ⇒ Paralyse des Geflügels kann von ihr hervorgerufen werden. Es ist unklar und umstritten, welche Bedeutung die Zecke als ⇒ Reservoir oder ⇒ Überträger anderer Mikroorganismen hat.
Argas reflexus Fabricius, 1794
dt: Taubenzecke
Abb. VIII.1.9: Argas reflexus.
© unbekannt.
Diese Art ist ursprünglich eine mediterrane Spezies, die entweder im 19. Jahrhundert als ⇒ Neozoon oder bereits in der Antike mit Hilfe der römischen Kultbräuche nach Österreich einwanderte. Heute ist sie ein klarer Gewinner der Urbanisierung und dehnt ihr Verbreitungsgebiet in den Europäischen Städten immer weiter aus. Sie wird auch westeuropäische Taubenzecke genannt.
Synonyme:
Acarus columbarum Shaw, 1793;
Acarus marginatus Fabricius, 1794;
Acarus reflexus Latreille, 1796;
Argas marginatus Latreille, 1796;
Rhynochoprion columbae Hermann, 1804;
Ixodes columbae Fabricius, 1805;
Ixodes reflexus Fabricius, 1805;
Ixodes espagnol Brebisson, 1827;
Ixodes hispanus Brebisson, 1827;
Argus reflexus Fullager, 1874 (misapplied name);
Argas reflexus reflexus Kaiser, Hoogstraal & Kohls, 1964;
Argas reflescus Tonelli-Rondelli, 1930;
Argas columbarum Schulze, 1932;
Argas columbae Weyer, 1948.
Adulte: Das Männchen ist vier mm lang und drei mm breit, das Weibchen 9,5 bis elf mm lang und sechs mm breit, beide Geschlechter sind gelblich bis rotbraun. Hungrig sind die Tiere gelblich, hinten breit abgerundet und nach vorne schmaler werdend. Nach der Blutaufnahme scheinen die Darmsäcke durch die Cuticula hindurch und das Tier wird dadurch rötlichbraun. Die Cuticula ist faltig mit kleinen, runden oder ovalen, glatten Abschnitten. Der Saum der Cuticula ist fein radial gestreift, die Saumleisten kurz bis mittellang und manchmal verschmolzen, besonders in der hinteren Region, wo sie Zickzack-Bänder bilden. Das Dach des Haller`schen Organs ist im Vorderbereich teilweise verschlossen durch ein Netz. cit. Siuda et al. [1979]. Die Weibchen legen nach jedem Saugen bis zu 70 Eier. Das ⇒ Hypostom ist an der Basis am breitesten, verjüngt sich nach vorne hin konisch, und ist an der Spitze schließlich wie abgeschnitten. Bis zum hinteren Drittel des Hypostoms Querlinien von Zähnen, die zumindest bei den Adulttiere deutlich weniger rudimentär erscheinen als jene von Argas persicus. In den anderen ⇒ morphologischen Merkmalen ähnelt Argas reflexus allerdings sehr stark Argas persicus, mit Ausnahme der Beborstung rund um das Haller`sche Organ, die bei dieser Art aus zwei langen Borsten besteht. Beide Geschlechter saugen nur in der Nacht an schlafenden Tauben innerhalb von höchstens zwölf Stunden Blut.
Nymphe: Die Körpergröße der Nymphen kann nicht genau angegeben werden, sie liegt zwischen jener der Larve und jener erwachsener Tiere. Diese Art bildet eine nicht festgelegte, zwischen zwei und vier variierende Anzahl an Nymphenstadien aus, die vom Menschen nicht differenziert werden können. Diese saugen nur in der Nacht innerhalb von zwölf Stunden Blut, tagsüber verkriechen sie sich unter sie abdeckenden Gegenständen und in Ritzen und Spalten. Mit diesem Verhalten eignen sich dieses Stadium nicht zur Verteilung der Individuuen im Raum in einer Welt von tagaktiven Wirten, wie sie die meisten Vögel sind.
Larve: Die Larve ist 0,6 bis 0,82 mm lang und 0,58 bis 0,74 mm breit. Auf dem Rücken sitzt ein häutiges Schüppchen. Diese Dorsalplatte ist deutlich länger als breit (2:1) und es gibt mehr als 70 Dorsalborsten. Die vorderen Lateralborsten sind deutlich länger als die hinteren. Die Larve wird frei und saugt Blut. Die Blutmahlzeit der Larve dauert sechs bis elf Tage. Damit ist die Larve vermutlich das wichtigste Stadium für die Verteilung im Raum und für den ⇒ Befall neuer Wirte.
Verbreitung & Bionomie: Die Taubenzecke ist eine weitgehend ⇒ ornithophile Zecke und nutzt als Wirtstiere vermutlich derzeit nur mehr Haustauben, selten vielleicht auch Hühner und Enten, und angeblich auch die Hausmaus. cit. Pfoser [1948]. Sie könnte ursprünglich ein mediterranes Faunenelement gewesen sein, das als ⇒ Neozoon vermutlich bereits im 19. Jahrhundert erstmalig in Deutschland gefunden wurde. cit. Boschulte [1860]. Sie hat sich derzeit in Europa bis zum 55. nördlichen Breitegrad ausgebreitet. cit. Dautel et Kahl [1999].
Eine andere, von mir präferierte Ansicht ist allerdings, dass diese Zecken-Art schon von den Römern aus dem Mittelmeerraum in unsere Breiten gebracht wurde. Das Vehikel waren die Auspizien (lat: auspicium = Vogelschau). Dieser Brauch römischer Kultbeamter, der Auguren, war in allen Tempeln des römischen Staatsglaubens verbreitet und deutete aus verschiedenen Vorzeichen des Vogelfluges den göttlichen Willen. Dazu wurden meist in Gefangenschaft gezogene Tauben verwendet, die freigelassen wurden und aus deren Abflugrichtung und -verhalten alle wichtigen Entscheidungen eines Gemeinwesens als Götterwillen herausgelesen wurden. In den ländlichen Gebieten wurden so zB Ernte- und Aussaatzeitpunkte bestimmt. Diese römische Kulthandlung muss zu einem enormen Bedarf an Tauben geführt haben. Diese wurden wohl auch über weite Distanzen gehandelt und verbracht. Zudem haben wohl freigekommene Tauben versucht, in ihren Schlag zurückzukehren, und sie haben sich auch mit den wildlebenden Felsentauben vermischt.
Argas reflexus hat als mediterranes Tier in Zentraleuropa eine relativ lange minimale Generationsdauer von zwei bis vier Jahren. cit. Dautel et Kahl [1999]. Die Eiablage erfolgt in mehreren, relativ kleinen Chargen über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Diese Zecken-Art ist ein urbaner Zivilisationsgewinner und ein mono- oder oligophager Spezialist, der an dauerhaft warme Orte mit Vogelnestern oder anderen Brutplätzen von Vögeln gebunden ist. Sie lebt also genau genommen wohl ⇒ nidikol. Die Wirtsfindung basiert auf zwei Faktoren, Wärme (positiver ⇒ Tropismus) und Licht (negativer Tropismus). Die Individualentwicklung kann bis zu elf Jahren dauern. Die Verbreitung der Zecke erfolgt sehr häufig durch Taubenverbringung, zB Brieftaubenhandel und -tausch. In den Städten, in denen die Stadttauben auf Dachböden und in Wandnischen nisten, dringt diese Art auch in die Wohnungen ein und greift Menschen an. Diese Z- 203;Art ist ein ständiger, ⇒ ubiquitärer Parasit der frei-lebenden Stadttauben. In Österreich wurde sie in Linz, cit. Pfoser [1948], in Graz, cit. Sixl et al. [1971b] und in Wien (Belegexemplare im NHMW) nachgewiesen. Nachdem die einzelnen Stadien ein großes Hungervermögen besitzen, zeigen sie sich auch das ganze Jahr hindurch. Die einzelnen Stadien wandern von den Taubennestern von März bis Dezember in Wohnungen ein und befallen dort „irrtümlicherweise” auch den Menschen. cit. Estrada-Peña et Jongejan [1999]. Der Stich ist sehr schmerzhaft, die Stichstelle rötet sich und schwillt an. Als allergische Reaktionen können Atembeschwerden und Erbrechen auftreten. Die Taubenzecke ist die am häufigsten gefundene Argasidenart in ⇒ Zentraleuropa, abhängig von den Stadttaubenbeständen. In österreichischen Städten in den Altbaubeständen vielfach zu finden. Werden gelegentlich mit Bettwanzen verwechselt. cit. Weidner [1993].
Wirte aller Stadien: Diese Zecken-Art ist zwar ⇒ ornithophil, an der Wirtsspezifität auf Artniveau (Felsentauben) besteht aber manchmal Zweifel. Möglicherweise können Tiere dieser Art jegliches Haus- und Stadtgeflügel befallen und im Falle des Hungerns sogar versuchen, an verfügbaren Säugetieren Blut zu saugen.
- Heimische Wirte aller Stadien:
- Columbiformes: Columba livia (Gmelin, 1789) dt: Felsentaube;
- Columba livia forma domestica (Gmelin, 1789) dt: Haustaube;
- Streptopelia turtur (Linnaeus, 1758) dt: Turteltaube.
- Galliformes: Gallus gallus domesticus (Linnaeus, 1758) dt: Haush-
- Anseriformes: Anas platyrhynchos domesticus Linnaeus, 1758 dt: Hausente;
- Anser anser domesticus (Linnaeus, 1758) dt: Hausgans.
- Als Fehlwirte:
- Primates: Homo sapiens Linnaeus, 1758 dt: Mensch.
- Passeriformes: Passer domesticus (Linnaeus, 1758) dt: Haussperling.
- Carnivora: Canis lupus familiaris (Linnaeus, 1758) dt: Haushund.
- Perissodactyla: Equus ferus caballus Linnaeus, 1758 dt: Hauspferd.
- Lagomorpha: Oryctolagus cuniculus (Linnaeus, 1758) dt: Kaninchen.
- Rodentia: Mus musculus Linnaeus, 1758 dt: Hausmaus.
Vektorfunktion: Argas reflexus fungiert als ⇒ Überträger von Borrelia anserina (Sakharoff, 1891) Bergey et al., 1925.
Argas polonicus Siuda et al., 1979
dt: Polnische Taubenzecke
Abb. VIII.1.14: Argas polonicus.
© A. Hassl.
Diese Art ist eine osteuropäische Spezies, die aber wahrscheinlich auch in Österreich zu finden wäre, würde man nach ihr suchen. Möglicherweise handelt es sich um eine Art, die die letzte Eiszeit in Südosteuropa überdauerte und gegenwärtig vom Osten kommend nach ⇒ Zentraleuropa vordringt. Wie sie mit der Westeuropäischen Taubenzecke Argas reflexus zurechtkommt, ist unklar. Als Alternativthese bietet sich an, diese Art als die in Zentraleuropa seit dem Neolithikum angestammte Taubenzecke zu betrachten, die derzeit von der ⇒ invasiven Art Argas reflexus verdrängt wird. Auffällig ist, dass die Weibchen dieser Art deutlich kleiner sind als die von Argas reflexus, die Männchen sind hingegen größer.
Synonyme: Synonyme Benennungen sind nicht bekannt.
Weibchen: Der Körper der Weibchen ist 5,4 mal 9,7 mm lang, ∅ 7,16 mm, und 3,95 bis 7,05 mm breit, ∅ 4,85 mm. Großzügig betrachtet ist er birnenförmig, vorne deutlich schmäler als hinten. Das Breite:Länge-Verhältnis ist 1,00 bis 1,48. Die Körperfarbe des lebenden Tieres ist bräunlich, wenn es sich kürzlich gehäutet hat. Ältere Tiere werden grau oder graubraun. Konservierte Körper sind braunrot. Am Rücken sind die Integumentgrate (-falten) zahlreich, tief getrennt und eng beieinander stehend. Die Größe und die Konturen der Falten sind sehr variabel, meist sind sie aber relativ breit und kurz. An der Bauchseite erinnern die lntegumentfalten an jene des Rückens; ein typisches Merkmal der Gattung Argas. Im Genitalbereich ist das vordere Labium mit einem Paar Außenborsten bestückt und mit 7 bis 8 Paaren Innenborsten. Der ⇒ Anus liegt auf halber Länge des hinteren Körpers. 14 bis 17 Borsten an jedem Stigmenportal. Die Spirakularplatten sind klein und liegen ⇒ lateral zur den vierten ⇒ Coxen. Die ⇒ Basis capituli ist bauchseitig etwa doppelt so breit wie lang; die hinteren Borstenhaare (⇒ Setae) sind winzig und es sind etwa 12 Paare. Am ⇒ Capitulum ist das posthypostomale Paar der Setae lang. Es entspringt ⇒ posterior vom ⇒ Hypostom, auf der Höhe der Insertionsstelle der Palpen. Die beiden Borsten reichen bis zur halben Länge des zweiten Palpensegments. Die Palpen sind etwa 0,6 mm lang. Das Hypostom ist etwa dreimal so lang wie breit, von der Insertionsstelle der posthypostomalen Borsten bis zur Spitze gemessen. Die Spitze ist stumpf abgerundet. Es gibt 4 bis 5 Querreihen an Zähnchen distal, die Zahnformel lautet 2-2, darauf folgen drei Querreihen großer Zähnchen, mittig 3-3 in ein bis zwei Querreihen und dahinter 4´-4´ kleiner Zähnchen. Das Haller`sche Organ hat ein offenes Dach, es ist groß und oval. In der Grube sind dicht gedrängte Sensillen erkennbar, die Anzahl der Borsten im vorderen Teil der Grube ist neun.
Männchen: Das Männchen ist dem Weibchen ähnlich mit Ausnahme der Geschlechtsmerkmale. Es ist aber kleiner: 4,80 bis 6,90 (∅ 5,71) mm lang und 3,35 bis 4,85 (∅ 3,99) mm breit. Die peripheren Integumentgrate (-falten) sind etwas breiter und scheinen häufiger in die anschließenden Scheiben zu münden. Die peripheren Borsten sind ebenso kurz wie die des Weibchens. Die Palpen sind ungefähr 0,43 mm lang; die Segmente 1 bis 4 haben jeweiligen die Längen 0,13, 0,12, 0,09 und 0,10 mm. In der Ventralansicht sind 4, 2, 2 und 2 Seten sichtbar und ein ⇒ apikales Borstenbüschel.
Das ⇒ Hypostom ist etwa dreimal so lang wie breit. Die Spitze gleicht im Wesentlichen der des Weibchens. Die Zahnformel lautet 2-2. Distal 3 Zahnreihen, Reihe 1 von mittlerer Größe und spitz, Reihe 2 große, spitze Zähnchen und Reihe 3 mit großen, stumpf gerundet Zähnchen. Proximal folgen mehrere Reihen 3-3, einzelne Reihen mit stumpf gerundeten Zähnchen mittlerer Größe und 4´-4´ von abgerundeten und kleiner werdenden, abgestumpften Zähnen.
Die Tarsenborstenzahlen bei einem seitlichen Blick auf Tarsus I bis IV sind: apicodorsal 1, 1, 1, 1; subdorsal 10, 1, 1, 2; median 3, 1, 2, 2; apicoventral 6, 6, 6, 6; subventralen 6, 5, 4, 5.
Nymphe: Drei, vielleicht vier Nymphenstadien, diese sind nur unterscheidbar durch ihre Zugehörigkeit zu einer Körpergrößenklasse. Der Körper ist 3,05 bis 7,00 mm lang, 2,00 bis 4,45 mm breit. Er ist im Umriss breit eiförmig; vorne schmäler als hinten, aber relativ breiter als der der Erwachsenen. Am Rücken sind die integumentalen Erhebungen und deren seitliche Vorsprünge verlängert, die peripheren Falten unregelmäßig, schmaler und breiter voneinander getrennt als bei den Erwachsenen. Jede Falte besitzt jeweils mehrere seitliche Verlängerungen.
Die ⇒ Basis capituli ist ventral etwa 1,45-mal so breit wie lang. Die postero--laterale Borsten stehen in drei Paaren; die Form und Anzahl der posthypostomalen und postpalpalen Borsten gleicht der der Adulttiere. Die Palpen sind ungefähr 0,41 lang; die Segmente 1 bis 4 haben jeweiligen die Längen 0,12, 0,12, 0,08 und 0,09 mm. In der Ventralansicht sind 2, 2, 1 und 2 Seten sichtbar und ein ⇒ apikales Borstenbüschel.
Das ⇒ Hypostom ist etwa 4-mal so lang wie breit, ⇒ apikal ist es breit abgerundet und die Spitze gleicht im Wesentlichen die der Adulten. Die Zahnformel lautet distal in 3 Reihen 2-2, proximal folgend eine Reihe 3-3, und mehrere Reihen 4´-4´. Die Größe und die Zahnformen gleichen denen des Männchens.
Die Beine sind moderat lang. Auf den Tarsen ist der jeweilige subapikale Vorsprung schwach ausgebildet. Die Tarsenborstenzahlen bei einem seitlichen Blick auf Tarsus I bis IV sind: Apicodorsal 1, 1, 1, 1; subdorsal 10, 2, 1, 1; median 4, 2, 2, 2; apicoventral 5, 5, 5, 5; subventralen 6, 4, 4, 6. Das Haller`sche Organ hat ein offenes Dach und ist groß und oval. In der Kapsel sind dicht gedrängte Sensillen sichtbar: Die Anzahl der Borsten im vorderen Teil der Grube ist in der Regel neun. Es wurden aber zahlreiche anomale Nymphen mit variablen Setenzahlen im vorderen Teil der Gruben beobachtet.
Larve: Der Körper ist ohne Capitulum 640 bis 790 μm lang und 610 bis 770 μm breit. Die Dorsalplatte ist weitgehend subquadratisch, 289 bis 318 μm lang, 196 bis 243 μm breit. Die Außenbegrenzung ist abgerundet, die Seiten sind parallel ausgerichtet oder leicht ⇒ konvex gebogen. Die Oberfläche erscheint stark gepunktet zu sein.
Die ⇒ Basis capituli ist 299 μm lang und 217 μm breit. Die Palpen sind 234 μm lang. Die Hypostomseiten sind im Profil parallel, ⇒ apikal ist das ⇒ Hypostom abgerundet, 154 μm lang und 65 μm breit. An der Spitze trägt es zwei Reihen kleiner Zähne. Die Zahnformel lautet 2-2 über die ganze Länge mit 9 bis 10 Reihen. Die Zähne sind am Vorderende des Hypostoms spitz, hinten abgerundet.
Die Beine sind moderat lang. Das Haller`sche Organ ist unbedeckt, groß und oval.
Verbreitung & Bionomie: Diese Art kommt in Polen, der ehemaligen CSSR, cit. Dusbábek [1985], und ohne publizierten Fundbeleg, auch in Deutschland vor. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass diese Art auch in Österreich, besonders in den Städten, zu finden ist. Vermutlich lebt sie ⇒ nidikol, und zwar in den Taubenschlägen. Die Erstfundstelle war eine Taubenkolonie in der Fassade einer gotischen Kirche. Die Art ist streng nachtaktiv. In Krakau werden alle Stadien nur zwischen Anfang April und Ende Oktober gefunden, mit einem Häufigkeitsmaximum im Juli und August. Die Larven saugen ungefähr sechs Tage am Wirt, die Nymphen und die Adulttiere nur wenige Minuten bis zu zwei Stunden. Bei Tageslicht verkriechen sie sich in den Spalten und Fugen des Mauerwerks, normalerweise finden sich immer nur einige wenige Exemplare aus allen Stadien an einer Stelle zusammen. Sie meiden den Erdboden.
Man kann spekulieren, dass diese Art ihre Wirte eher in den Populationen frei-lebender Stadttauben in ⇒ synanthropen ⇒ Habitaten findet, hingegen Argas reflexus einen deutlich erkennbaren Hang zu in Gefangenschaft lebendem Geflügel aufweist. Folgt man dieser These, so ist Argas polonicus die angestammte, zentral- und nordeuropäische Tabenzeckenart, während Argas reflexus ein eingeschlepptes Tier ist und vermutlich sogar eine "⇒ invasive species" darstellt. Gelegentlich befällt Argas polonicus auch den Menschen. Wie die polnischen, dem Katholischen zugeneigten Autoren versichern, werden aber nie die Kirchgänger befallen, sondern nur die Trompeter während eines Nachtkonzertes. cit. Nowak-Chmura et Siuda [2012]. Ich vermute allerdings, dass es sich dabei eher um Abwehrstiche denn um Saugversuche handelt.
Wirte aller Stadien: Diese Zecken-Art ist vielleicht streng monophag auf Artebene.
- Heimische Wirte aller Stadien:
- Columbiformes: Columba livia (Gmelin, 1789) dt: Felsentaube, bisher nur an in Städten lebenden Haustauben nachgewiesen.
Erreger- und Vektorfunktion: Argas polonicus wird nachgesagt, dass sie Menschen befallen kann. Die Stichreaktionen sind sehr ähnlich jenen von A. reflexus. Über Erreger, die diese Zecken-Art überträgt, ist jedoch nichts bekannt.
Argas (Carios) vespertilionis (Latreille, 1802 (oder 1796))
en: Blyborough Tick, Bat tampan
Abb. VIII.1.10: Argas vespertilionis.
© A. Hassl.
Die Benennung dieser Art im Gattungsrang und die Synonymisierung sind umstritten. Insbesondere die Jahresangaben der Beschreibungen der Synonyme sind unsicher, da bei manchen Namen völlig unklar ist, welche Zecke der Autor beschrieben hat.
Synonyme:
Acarus testudo Risso, 1790;
Carios vespertilionis Latreille, 1796;
Caris vespertilionis Latreille, 1806;
Acarus fischeri Savigny, 1826;
Argas fischeri Audouin, 1827;
Argas pipistrellae Audouin, 1832;
Caris elliptica Kolenati, 1857;
Caris longimana Kolenati, 1857;
Caris decussata Kolenati, 1857;
Caris inermis Kolenati, 1857;
Peplonyssus amplificatus Kolenati, 1857;
Peplonyssus moneta Kolenati, 1858;
Peplonyssus seminulum Kolenati, 1858;
Argas pulchella George, 1876;
Argas vespertilionis Neumann, 1896;
Carios decussata Neumann, 1901;
Carios elliptica Neumann, 1901;
Carios inermis Neumann, 1901;
Carios longimana Neumann, 1901;
Acarus pipistrellae Bedford, 1934;
Carios pipistrellae Schulze, 1941;
Argas (Carios) vespertilionis Hoogstraal, 1958;
Alectorobius vespertilionis Abusalimov, 1964;
Carios (Carios) vespertilionis Camicas et Morel, 1977.
Adulte: Der Körper ist queroval 7,5 mm lang und neun mm breit. Der Rücken ist ungleichmäßig gewölbt, der Saum rötlichbraun. Die Körperhaut mit kleinen Pünktchen. Am hinteren Körperende befinden sich radiale Reihen runder Vertiefungen. Der vordere Körperrand springt dreieckig hervor. Der ⇒ Anus liegt ungefähr in der Mitte der Bauchseite. Hinter ihm liegen zwei größere ovale Gebilde, die durch eine Furche mit dem ⇒ Anus verbunden sind. Die ⇒ Basis capituli ist lang, das ⇒ Hypostom schmal und an der Spitze gerillt. Das erste Palpenglied ist groß und kräftig, die anderen Glieder klein und schmal. Die Beincoxen verjüngen sich zum Körper hin. Die des zweiten bis vierten Beinpaares liegen unmittelbar nebeneinander, die des ersten Beinpaares etwas davon entfernt. Auf den Tarsi befinden sich stark hervorspringende Höcker.
Nymphen: Der Körper ist beinahe rund, mit einem Durchmesser von etwa fünf mm. Die Cuticula jüngerer Exemplare besitzen zickzackförmige Strukturen, später polygonale Zeichnungen. Am Saum ist die Cuticula bei jüngeren Exemplaren faltig, bei älteren mit viereckigen Gebilden. Das Hypostom ist kurz und die Seiten sind beinahe parallel. Es trägt zwei Längsreihen aus je sechs Zähnen. Die Palpen sind kurz und dick, an allen ihren Gliedern sitzen gezahnte Borstenhaare (⇒ Setae). Bis auf das erste Glied sind alle Glieder kaum länger als breit. Die ⇒ Coxen der Beine berühren einander. Auf den Tarsi des ersten Beinpaares befindet sich ein kleiner Höcker.
Larven: Der Körper ist oval und bis zwei mm lang. Das ⇒ Hypostom ist lang, schmal und endet spitz. Es hat vier Längsreihen von Zähnen. Die Palpen sind klein. Bis auf das erste Glied sind alle Glieder etwa doppelt so lang wie breit. Die Larven saugen an ihren Wirtstieren von einigen Tagen bis zu beinahe drei Wochen und werden deshalb regelmäßig auf den Wirtstieren gefunden.
Verbreitung & Bionomie: Die Fledermauszecke kommt vermutlich weltweit mit Ausnahme der Amerikas und der Antarktis vor. Nachgewiesen wurde sie in Australien, Nordafrika, Südasien, im Iran und in Europa: In England, Deutschland, Belgien, Ungarn, Bulgarien, den Kanarischen Inseln, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Madeira, Norwegen, Polen, Portugal, Spanien, der Ukraine, Österreich, der Schweiz und in der ehemaligen CSSR. In Europa wurde sie nur südlich des 60. Breitengrades gefunden. Merkwürdigerweise meidet diese Art in den nördlichen und zentralen Teilen ihres Europäischen Verbreitungsgebiets Höhlen, während sie in Südeuropa nur in Höhlen gefunden wurde. cit. Walter et Kock [1985].
Die Tiere dieser Art verbringen das ganze Jahr in oder nahe von Höhlen und anderen Fledermausrastplätzen, gleichgültig ob ihre Wirte anwesend sind oder nicht. Sie verbergen sich in Spalten und Ritzen in Höhlen und Gebäuden, Rissen und Löchern in Baumstämmen und unter Guanohaufen. Es ist nicht klar, ob es sich um eine ⇒ troglophile Zecken-Art handelt, die mit dem Wirt umherzieht, oder um eine ortsgebundene, ⇒ kavernikole Art. Viele zentraleuropäische Fledermäuse verbringen den Tag oder den Winter regelmäßig in ein und derselben Höhle, darunter fallen die meisten der in Bayern für diese Zecke nachgewiesenen Wirtstier-Arten. Deshalb wird nicht unbegründet eine Spezialisierung dieser Zecken-Art auf Höhlen-bewohnende Fledermausarten vermutet. cit. Rupp et al. [2004]. Einige Fledermäuse ziehen allerdings auch regellos umher, wodurch ein völlig anderes Wirtssuchverhalten der Zecken notwendig ist. Da bisher keine Wirtsartspezifität festgestellt werden konnte, ist der jahreszeitliche Aktivitätsrythmus der Zecken ungeklärt. Zweifelsfrei ist diese Zecken-Art ein an Fledermäuse adaptierter Spezialist, allerdings vermutlich mit einer geringen Spezialisierung innerhalb des Wirtstaxons. Die Tiere sind tagaktiv. Die Larven sitzen bis zu 19 Tagen am Wirt, die Nymphen und Adulttiere saugen in weniger als einer Stunde. In Österreich wurde diese Art am Attersee, in Tirol, in Innsbruck und in Graz im August gefunden. Sie befällt den Menschen vermutlich sehr selten, sporadisch existieren allerdings einige Berichte über Attacken der Zecken auf Höhlenfahrer in Schweden. Verändert cit. Becker [1998].
Diese Zecken-Art wird in Deutschland als „gefährdet” eingestuft. cit. Rupp et al. [2004].
Wirte: Diese Zecken-Art ist „moderat wirtsspezifisch”, dh sie ist streng wirtsspezifisch auf Unterordnungs-Niveau und gering wirtsspezifisch auf Art-Niveau: Sie saugt nur an Fledermäusen Blut, dh an Tieren der Unterordnung Microchiroptera; innerhalb dieser Unterordnung hat die Zecke aber ein breites Wirtsspektrum.
- Heimische Wirte aller Stadien:
- Chiroptera: Pipistrellus pipistrellus (Schreber, 1774) dt: Zwergfledermaus;
- Nyctalus noctula Schreber, 1774 dt: Großer Abendsegler.
- In Österreich als Wirte nicht nachgewiesen:
- Barbastella barbastellus Schreber, 1774 dt: Westliche Mopsfledermaus;
- Eptesicus nilssonii Keyserling et Blasius, 1839 dt: Nordfledermaus;
- Eptesicus serotinus (Schreber, 1774) dt: Breitflügelfledermaus;
- Myotis bechsteinii Kuhl, 1817 dt: Bechsteinfledermaus. Diese Art lebt im Sommer in Kolonien in je ca 50 Baumhöhlen eines 250 ha großen Waldgebiets mit viel Totholz.
- Myotis daubentonii (Kuhl, 1839) dt: Wasserfledermaus;
- Myotis myotis Borkhausen, 1797 dt: Großes Mausohr;
- Myotis mystacinus Kuhl, 1817 dt: Kleine Bartfledermaus;
- Nyctalus leisleri Kuhl, 1817 dt: Kleiner Abendsegler;
- Pipistrellus kuhlii Kuhl, 1817 dt: Weißrandfledermaus;
- Pipistrellus nathusii Keyserling et Blasius, 1839 dt: Rauhautfledermaus;
- Plecotus auritus Linnaeus, 1758 dt: Braunes Langohr;
- Rhinolophus ferrumequinum (Schreber, 1774) dt: Große Hufeisennase;
- Rhinolophus hipposideros (Bechstein, 1800) dt: Kleine Hufeisennase;
- Tadarida teniotis (Rafinesque, 1814) dt: Europäische Bulldoggfledermaus;
- Vespertilio murinus Linnaeus, 1758 dt: Zweifarbfledermaus.