sic transibat laudem litterae
A. Hassl, 1957 - ...
Idole
Inhaltsverzeichnis:
- U8.1Aristoteles
- U8.2Sokrates
- U8.3Fremde Publikationen, zum Thema passend
Integrationsfiguren, die meines Lebens Verlangen, das auf zwei der vier unwandelbaren königlich-davidischen Tugenden, dem weisen Lehrer und dem gerechten Richter, ausgerichtet sind, am besten entsprechen: Nicht zufällig stammen alle meine Integrationsfiguren aus der Antike oder aus der antiken Mythologie; also aus einer Epoche, in der die oben genannten Wertmaßstäbe zwar auch nicht immer frei von Bösem gelebt wurden, aber zumindest das Bemühen um Redlichkeit den Wert einer menschlichen Existenz, derjenigen eines vir bonus, ausmachte. Und das Streben nach Glück im Leben einen transzendentalen, nicht pekuniären Wert darstellte.
Der immerwährende Lehrer: Aristoteles
Die Bedeutung des antiken griechischen Universalgelehrten und Wissenschaftssystematisierer Aristoteles (384 - 322 vChr) für das abendländische Geistesleben kann man an seiner Charakterisierung als „der Große Pfaffe” durch Meister Eckhart (1260 -1328) erkennen. Er wird unter anderem auch als Vater der Parasitologie betrachtet und kann daher als mein beruflicher Stammvater angesehen werden. Aristoteles erwähnt in seiner Geschichte der Tiere nicht nur die menschlichen Parasiten, sondern auch jene von verschiedenen Haus- und Wildtieren. Was die Eingeweidewürmer betrifft, übernimmt er die drei Kategorien des Hippokrates, Plattwürmer, Rundwürmer und Askariden, und er vervollkommnet dessen Angaben durch eine ausführliche Beschreibung der Schweine-assoziierten Finnenkrankheit (Befall durch Larven von Taenia solium). Er erwähnt dabei die Hagelkörner an Schenkeln, Hals, Schultern und besonders an der Zunge, doch er erkennt nicht die Gefahr, die dem Menschen durch das Essen von Fleisch infizierter Schweine droht. Obwohl Aristoteles auch die Nissen, das sind die Eier der Läuse, und die Puppen der Flöhe beobachtet hatte, glaubte er, dass die Ektoparasiten aus Schweiß und Schmutz entstehen.
Neben naturwissenschaftlichen Studien befasste sich Aristoteles auch mit Philosophie, Rechtskunde und Staatslehre. Im ersten Buch Politik charakterisierte er den Menschen als zoon politikon, also als ein nur in einer Gemeinschaft, in einer Kleingruppe, sich entfalten könnendes Wesen. Er erkannte damals bereits die Bedeutung der Sprache für das Menschsein (cit. in Teilen Societe d'editions professionnelles, medicales et scientifiques [1980]).
Der unsterblich gewordene Privatgelehrte: Sokrates
Der Philosoph Sokrates (469 - 399 vChr) bleibt, was er während seiner Lebenszeit war: Ein Rätsel, ein unergründliches Individuum, eine abseits stehende Person. Obgleich er, wie Jesus Christus, nicht ein Wort für die Nachwelt niedergeschrieben hat, gehört er zu der Handvoll von Philosophen, die für alle Zeiten änderten, wie die Philosophie sich selbst begreift. Alle unsere Informationen über ihn sind aus zweiter Hand, und die meisten heftig umstritten. Aber sein Verfahren und sein Tod durch die Hände der Athener Demokratie ist dennoch der Gründungsmythos der akademischen Disziplin der Philosophie (= Liebe zur Weisheit).
Für Sokrates waren die Naturphilosophie und die Tatsachenwissenschaften bedeutungslos. Für ihn galt nur die ethische Erziehung seiner Mitbürger, die er durch seine besondere Technik der Fragestellung durchzuführen versuchte. Persönliche Tugend + VIRTUS + war allerdings für Sokrates nicht erlernbar, sondern ein Geschenk der Götter.
Die Sokratische Fragemethode bezeichnet man als Mäeutik, dh Hebammenkunst. Sokrates stellte seinem Gesprächspartner mit Vorliebe solche Fragen, deren einfache, naheliegende Beantwortung sich im Nachhinein immer als intellektuell unbefriedigend und meist als faktisch unzutreffend herausstellte. Dadurch verwickelte er den Anderen in Widersprüche und führte ihn so zwanglos zur Selbsterkenntnis des Nicht-Wissens. Die Sokratischen Dialoge führen zur Einsicht, die der griechische Philosoph Xenophanes sinngemäß so formulierte, dass ein Mensch niemals sicheres Wissen besaß, noch jemals besitzen wird. Im ständigen Bemühen vermögen wir allerdings Besseres zu finden. Wir können alte, unzulängliche Lösungen verwerfen und neue Erklärungen entwickeln, die zwar auch nicht perfekt sind, aber besser enträtseln als die ausgemusterten. Die fast zweieinhalb Jahrtausende später von Sir Karl Popper entwickelte Erkenntnistheorie von Naturwissenschaften, die Falsifizierbarkeits-Forderung, folgt demselben Grundprinzip. Die sokratische Sichtweise auf die Lebenswirklichkeit ist demnach sehr zeitgemäß. Sie ist auch wegen ihrer intellektuellen Bescheidenheit ein beeindruckendes humanitäres Plädoyer gegenüber der eitlen Anmaßung von Fanatikern und Fundamentalisten aller Zeiten.
Sokrates' Einfluss geht in jedem Zeitalter weit über die Philosophie selbst hinaus. Später wird er Vater des Abendlandes genannt werden. Er lebte bescheiden als akademischer Lehrer von den freiwilligen Spenden seiner Schüler. Weil sein Leben von vielen als paradigmatisch für ein weises Leben angesehen wird und, allgemeiner, als Vorbild gilt, wie jedermann leben soll, ist Sokrates mit der Bewunderung und der Nachahmung beschwert worden, die normalerweise Religionsgründern vorbehalten ist. Dies ist umso bizarrer, als Sokrates so mühevoll versuchte, andere zum selbstständigen Denken anzuregen. Und besonders für jemanden, der angeklagt und letztlich exekutiert wurde wegen des Verbrechens der Respektlosigkeit gegenüber den Göttern und der Polis-Divinität. (cit. in Teilen The Metaphysics Research Lab [2007]).
U8.3 Fremde Publikationen, zum Thema passend
- Societe d'editions professionnelles, medicales et scientifiques [1980]: Histoire de la Medicine, de la Pharmacia, de l'Art Dentaire et de l'Art Veterinaire. pp 2934.
- The Metaphysics Research Lab [2007]: The Stanford Encyclopaedia of Philosophy. https://plato.stanford.edu/entries/socrates